Der erste Tag unserer Reise am 17.02. begann mit unserem Treffen am
Airport in Delhi. Das lief alles reibungslos und David wartete schon am Ausgang
auf mich. Von dort fuhren wir mit der Metro nach Neu Delhi, wo wir am Main
Bazar, Parhaganj, dem Low-Budget Touristen Spot ein Hotel gebucht hatten. Beim
Versuch um dorthin zu gelangen die Bahnstation zu passieren liefen wir gleich
dem ersten Nepper ins Netz. Dieser erklärte uns, da heute Shuboratri, ein
Hindu-Feiertag und damit große Festivitäten seien, brauche man eine spezielle
Erlaubnis um Parhaganj zu betreten. Souverän führte er uns zu einer Autorikscha
und erklärte uns, diesen Schein erhielten wir im Touristenbüro am Connaugh
Square. Zuerst waren wir sehr vertrauensseelig, aber nach einer Weile wurde ich
dann doch skeptisch und rief im Hotel an, um mich einmal abzusichern. Der
Manager entlarvte das Ganze dann auch sofort als Betrug, wir wendeten die
Rikscha nach 200m wieder und passierten in einem zweiten Anlauf die zahlreichen
Personenkontrollen und Taschendurchleuchtungen am Bahnhof, die uns zuvor
verunsichert hatten. Anzumerken ist, dass bei unserer Reise ungefähr an jedem
Bahnhof und jeder Sehenswürdigkeit unser Gepäck gescannt wurde. Das
Klappmesser, dass ich zum Obstschneiden immer bei mir habe jedoch nur in einem
Fall bemerkt wurde. Da David vom Straßenleben in Indien natürlich erstmal
überfordert war, entschieden wir direkt in Delhi nur eine Nacht zu bleiben. Am
ersten Abend schlenderten wir durch die Gassen, ließen den Trubel auf uns
wirken. Am nächsten Morgen besichtigten wir das Rote Fort und schlenderten über
einen der hektischen Bazare zurück. Dort musste David durch mich veranlasst
dann seine erste Erfahrung mit den von Indern stets beworbenen und gnadenlos
süßen indischen Sweets sammeln. Es gab Jalabes, in Fett ausgebackene und danach
in Sirup ertränkte Teigspiralen. Ein einziger Fett-Zucker-Matsch in deinem
Mund, aber dieser Sweets mag ich sogar ziemlich gerne. J Bis zum Abend schlugen wir
dann die restliche Zeit auf einem der zahlreichen Rooftop-Cafés tot und hetzten
dann letzten Endes doch zur Busstation um unseren Nachtbus nach Dharamsala zu
erwischen. Das Bussystem in Indien ist ziemlich gut ausgebaut. Für zahlreiche
Nah- und Fernstrecken gibt es Busse verschiedener Preis- und Komfortkategorien.
Wir gönnten uns einen AC-Semisleeper Bus (bedeutet klimatisiert und mit
bequemen Sitzen, die nach hinten geklappt in eine Art Liege verwandelt werden
können). Am liebsten hätte ich einen der Sleeper-Busse ausprobiert, die
tatsächlich seperaten Liegekojen ausgestattet sind. Diese Kategorie wird
allerdings in weiser Voraussicht auf den kurvigen Bergstraßen nach Himachal
Pradesh nicht angeboten. Nach diversen Buswechseln wegen defekter Bremsen etc.
und 13 Stunden Fahrt erreichten wir dann am nächsten Morgen McLeod Ganj bei
Dharamsala und wurden mit behaglichem Schmuddelwetter begrüßt.
McLeod Ganj ist ein winzig kleines, aber sehr nettes Nest,
das eigentlich nur aus fünf zusammentreffenden Straßen besteht. Es liegt
ziemlich hoch (eine genaue Meterzahl kann ich leider nicht angeben) und ist von
schneebedeckten Gipfeln umgeben. Wir wurden telefonisch von Alex, einem
anderen, in McLeod Ganj seinen Freiwilligendienst Leistenden zu unserer
Unterkunft gelotst. Wir bekamen ein Gästezimmer in der buddhistischen
Mönchsschule des Ortes, zu der man 300 Stufen eine kleine, steile Treppe hinab
krakseln muss. (Ich erwähne das, da es von jedem dort betont wird und daher
besondere Wichtigkeit zu haben scheint.) Das Zimmer war sehr schön, allerdings
sind indische Häuser in keinem Fall in unserer Weise isoliert, sodass die
Behaglichkeit bei unter 10 Grad und Regen doch etwas zu wünschen übrig ließ
(zudem ich mich in letzter Zeit auf einen gewissen Standard von über 20°
eingestellt habe). Mit dem Wetter hatten wir wirklich Pech. Es regnete und
gewitterte konsequent weiter und das, obwohl das Wetter die Tage zuvor schön
gewesen sein soll. Ein weiterer Schlag kam leider dazu: Genau in dieser Woche
feierten die Chinesen und Tibeter ihr Neujahrsfest. Dieses dauert mehrere Tage
und bedeutete, dass beinahe alle Geschäfte und Restaurants geschlossen blieben,
da die Tibeter die Tempel besuchen oder Zeit mit der Familie zu verbringen. Viel
Zuflucht vor dem Regen bot sich in der Stadt daher auch nicht. Wir ließen uns
also nass regnen, erforschten das an Geschäften und Sehenswürdigkeiten, das
trotz der Feiertage möglich war und wärmten uns zwischendurch immer wieder in
dem einzigen geöffneten Café der Stadt mit einem leckeren Chai. An diesem Café
merkte man, wie sehr das Stadtbild in McLeod Ganj von Tourismus geprägt ist.
Obwohl die Stadt so klein ist, finden sich dort gefühlt hunderte von
Geschäften, in denen man tibetischen Schmuck, Yak-wool Schals und anderen
Schnickschnack kaufen kann und auch die Restaurants sind mit komfortablen
Sitzgelegenheiten zum Entspannen, Wifi, Kuchen und frischen Waffeln schon sehr
auf den touristischen Geschmack ausgelegt. (Inder verlassen Restaurants nach
dem Essen meist schnell wieder und die Tibeter trinken ihren Tee mit geklärter
Butter – sehr gewöhnungsbedürftig. Ein netter Australier, der auch in unserem
Guesthouse untergekommen war, borgte uns gegen Nachmittag noch einen
Heizlüfter. Unsere Rettung. Da die Wohnungen hier meist nicht über Heizungen
verfügen, bietet dieses kleine Gerät, das wie ein Fön funktioniert und wie ein
Toaster aussieht, die einzige Rettung. Wir entschlossen uns trotzdem unseren
Besuch um einen Tag zu kürzen und buchten unseren Bus um. In der restlichen Zeit ließen wir uns von
unserem australischen Zimmernachbarn noch den Tempel und die angrenzende
Wohnstätte des Dalai Lama zeigen. Entsetzt
waren wir dort durch aushängende
Fotografien und „Märtyrer-Gedenksäulen“ stattfindende Heroisierung von
Selbstverbrennungen. Die Anzahl der Bilder, das junge Alter der Abgebildeten
und die Tatsache, dass ein solcher Selbstmord meines Erachtens niemals wirklich
Aussicht darauf haben kann, an der politischen Realität etwas zu ändern,
bedrückten mich sehr.
Wir fuhren dann mit dem Bus zurück nach Delhi und erreichten
dort die Bahnstation glücklicher Weise noch rechtzeitig um den Zug weiter nach
Agra zu bekommen. Es gestaltete sich bloß als großes Kunststück, den richtigen
Zug auch zu finden. Auf unserem Ticket standen weder Gleis noch Zugnummer,
Anzeigetafeln mit den Zielen eines Zugs gab es nicht und von jedem
Bahnangestellten wurden wir zu unterschiedlichsten Gleisnummern ver- und dort
wiederum abgewiesen, da es sich nicht um unseren Zug handele. In letzter
Sekunde konnten wir noch in unseren Zug springen und uns aus der völlig verräucherten
und zwielichtigen General class doch noch auf zwei freie Liegen in der Sleeper
class retten. In Agra hatten kamen wir in einem netten günstigen Hostel unter,
das von zwei riesigen, schlaksigen Typen verwaltete wurde, die beide sehr
witzige, kontrastierende Stimmen hatten: einer unfassbar tief, der andere hoch
und fistelig. Es hatte – wie ungefähr alle Hotels bzw. Restaurants dort – ein
schönes Rooftop-Café mit Blick auf das Taj Mahal. Diese Orte waren ein
wunderbarer Rückzugsort, da wir Agra mit seinem auf enge Straßen komprimierten,
natürlich lautstark hupendem Verkehr als verhältnismäßig stressig empfanden.
Wir besichtigten das Agra Fort, das wir beide sehenswerter fanden, als das Rote
Fort in Delhi, Bazare und natürlich das Taj Mahal. Das war natürlich
beeindruckend, aber meine Faszination für Indien ergibt sich, wie mir immer
mehr bewusst wird, viel mehr aus dem menschlichen Miteinander und dem
Straßenleben, als aus den berühmten Sehenswürdigkeiten. Das florale Muster des
Taj Mahal erinnerte mich zudem die ganze Zeit übermäßig an das Design eines
IKEA-Bettwäsche Sets. Da haben die Schweden bestimmt ihre Inspiration in Indien
gefunden. Am letzten Nachmittag verirrten wir uns einmal vollständig in Agras
Altstadtgassen und David wurde schon nervös, da wir immer mehr von den
Einheimischen beäugt und belagert wurden. Daran gewöhnt man sich allerdings,
wenn man sich eine gewisse Zeit in Indien aufhält.